Eine Demontage im Zeitraffer

    Eine Demontage im Zeitraffer

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    Beim 3:1 im Landesliga-Derby genügt dem TV Echterdingen eine Viertelstunde, um seinen Gegner SV Bonlanden zu düpieren - worauf bei den Filderstädtern nun dicke Luft herrscht.

    Am Schluss war die Wut. 95 Spielminuten lang hatte Klaus Fischer das Geschehen erstaunlich ruhig verfolgt. Dann musste der Ärger raus. Mit gefühlter Kragenweite XXL sprach der Trainer Sätze, die manch einen beim Fußball-Landesligisten SV Bonlanden schlucken lassen werden. Beispiele gefällig? 'Vier, fünf Spieler bei uns geben durchgängig Vollgas, andere kriegen den Hintern kaum hoch - das nervt mich zunehmend.' Oder: 'Hinten schlafen wir, vorne machen wir die Tore nicht - das frustriert hochgradig und zieht sich als roter Faden durch.' Und: 'Topwetter, schöner Rasen, Derby. Und dann nicht ein jeder bis unter die Haarspitzen motiviert - kann das sein?'
    Nun, offensichtlich konnte es. Und so begab es sich, dass das mit Spannung erwartete Filderduell am Donnerstagabend in den Echterdinger Goldäckern einen Verlauf nahm, der wohl noch ein Weilchen für Gesprächsstoff sorgt. Als viele der rund 400 Zuschauer erst eintrudelten, war das Entscheidende schon vorbei. Verdutzter Blick auf die Anzeigetafel: nein, kein technischer Fehler. Es stand nach 13 Minuten tatsächlich bereits 3:0. Am Ende lautete das Resultat 3:1, und die Partie hatte einen großen Gewinner, der TV Echterdingen hieß, sowie einen großen Verlierer, welcher der SV Bonlanden war. Der erlebte just in der Begegnung, in der er sich eine Initialzündung für den weiteren Saisonverlauf erhofft hatte, seine bislang schwärzesten Momente dieser Runde.
    Schläfrig, unkonzentriert, zögerlich in den Zweikämpfen - so taumelte der Verbandsliga-Absteiger in ein anfängliches Debakel, bei dem sich die Frage stellen ließ: Hatte die Mannschaft überhaupt mitbekommen, dass das Spiel bereits begonnen hatte? Hinzu kam, dass die Gästetaktik, zunächst nur mit einer Dreierabwehrkette zu operieren, in die Hosen ging. Mittels einer energisch zupackenden Flügelzange Denis Kroer/Moritz Wille stürzten die Echterdinger dieses Konstrukt von einer Verlegenheit in die nächste. Insbesondere für Andreas Pottmeyer wurde es eine bittere Geschichte. Der orientierungslos wirkende 21-Jährige patzte bei den beiden ersten Gegentoren - ehe ihn sein Coach schon Mitte der ersten Hälfte vom Platz holte.
    Die Erfolgs- beziehungsweise Pannenstatistik im Zeitraffer: beim 1:0 degradierte Kroer den erwähnten Unglücksraben zur Slalomstange, sprintete noch ein paar Meter unbehelligt am Strafraum entlang und zirkelte den Ball per Flachschuss ins Netz. Beim 2:0 waren sich Pottmeyer und sein Keeper Philipp Günther nach einem Wille-Querpass uneins, wer einschreiten sollte, was dann an ihrer Stelle der gegnerische Torjäger Nils Schaller tat - für ihn nebenbei das Ende einer über fünf Spieltage währenden Torflaute. Und beim 3:0 schließlich zeigte sich aus gelb-schwarzer Sicht eindrucksvoll, was ein wiedererlangtes Selbstvertrauen bewirken kann. Erneut in Folge eines Kroer-Einsatzes hielt der Kapitän David Hertel einfach mal volley drauf.
    Das Ergebnis: erneut drin. Drei Echterdinger Torschüsse, drei Einschläge. Was den einen als Albtraum erschien, kam für die anderen einem Märchen gleich. Hatte zuletzt jemand behauptet, die Mannschaft habe ein Abschlussproblem? Muss wohl ein Irrtum gewesen sein. 'So macht Fußball wieder Spaß', frohlockte der Trainer Aleksandar Kalic. 'In den Wochen zuvor haben wir unsere Fans ja nicht gerade verwöhnt. Wir wollten etwas gutmachen.'
    Gelaufen war das Kräftemessen damit im Prinzip, bevor es eine Chance gehabt hatte, zu jenem heißen Gefecht zu avancieren, das prognostiziert worden war. Der Rest? Gewiss, die Bonlandener berappelten sich. Fischers Erste-Hilfe-Maßnahmen am röchelnden Patienten griffen. Mit dem nach hinten versetzten Stefan Adam stabilisierte sich der Defensivverbund. Mit Maximilian Goll in zentralerer Rolle rissen die Gäste fortan die Herrschaft im Mittelfeld an sich. Und mit dem eingewechselten Egemen Altindil kam frischer Wind ins Angriffsspiel.
    Nur: der nötige Punch, der hat dann bei allen Bemühungen, noch etwas zu retten, abermals gefehlt. Nicht nur das. Wie es dann so ist an einem Tag, an dem es hüben läuft und drüben nicht: zu allem Überfluss aus Bonlandener Warte verfügten die Echterdinger auch noch über einen herausragenden Torhüter. Valentin Haug wehrte gegen Altindil, Maximilian Schwarz und Markus Großhans dreimal glänzend ab. Machtlos war er nur in einem Fall - als Schwarz einer Balleroberung an der Mittellinie kühn eine Bogenlampe aus knapp 50 Metern folgen ließ.
    Eigentlich ein Tor des Jahres. Eigentlich ein Treffer zum mit der Zungeschnalzen. Freilich: unter den geschilderten Umständen verkam er zur Randnotiz. In der Tabelle ist der TV Echterdingen an seinem Kontrahenten vorbeigezogen - die Revolution nach jahrzehntelang zementierten Machtverhältnissen des Filder-Fußballs ist fürs Erste gelungen. Getrübt hat Kalics Hochstimmung zuletzt allein die rote Karte für Kroer, die die gut leitende Schiedsrichterin Silke Fritz wegen Nachtretens zog.
    Der SV Bonlanden derweil? Für den rückt das Ziel, um den Aufstieg mitzuspielen, nun schon nach dem ersten Saisondrittel in ganz weite Ferne. 'In der aktuellen Verfassung brauchen wir uns über die vordersten Tabellenplätze keine Gedanken zu machen', sagte Fischer. Das wiederum klang weniger wütend als ernüchtert.
    TV Echterdingen: Haug - Rizzo, Zschorsch, Haselmaier, Milojkovic (84. Zimmermann) - Wille, Helber, Hertel, Kroer - Schaller (79. Brodbeck), Colic (76. Elsäßer).
    SV Bonlanden: Günther - Pottmeyer (21. Altindil), Taubald (73. Hummel), Baradel - Großhans, Goll, Adam, Schmidt, Presthofer - Maximilian Schwarz - Julian Schwarz (46. Lehmann).