Der Fußball verwirft notgedrungen die Ersatzversion mit Aufstiegs- und Abstiegsrunde und beabsichtigt stattdessen eine nochmalige Reduzierung der Spieltagszahl. Doch droht auch mehr und mehr ein anderes Szenario.
Wer tatsächlich noch an einen schnellen Wiederbeginn geglaubt hatte, dessen Mimik dürfte am Mittwochabend in einem Punkt bestens mit den Ausführungen der Frau am Mikrofon korrespondiert haben. Je länger deren Monolog dauerte, desto länger wurden wohl gleichzeitig auf Zuhörerseite die Gesichter. Die Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach nach der neuesten Corona-Krisenkonferenz der Politik über Inzidenzzahlen, Schulen und Kindertagesstätten. Sie ließ sich über Friseure, Hygienekonzepte und weitere Impfpläne aus. Der Einzelhandel kam in ihren Erläuterungen vor, und auch die Betreiber von Kosmetikstudios durften aufhorchen. Ein Begriff, der tauchte aber minutenlang gar nicht auf.
Und der Sport? Ja, was ist nun eigentlich mit dem Sport? Immerhin für die kurze Erwähnung in einem Nebensatz hat es dann noch gereicht. Spätestens da musste aber auch bereits dem Letzten der Branche bewusst geworden sein, was die Stunde geschlagen hat. Der Sport, der steht ziemlich weit hinten in der Warteschlange all jener, die in diesen Tagen ächzend darauf hoffen, dem Corona-Schwitzkasten endlich wieder ein Stück weit zu entkommen. Die Zwangspause geht weiter, im eigenen Fall unverändert ohne konkrete Aussichten vonseiten Bund und Ländern – auch für den Amateurfußball. Dessen Verantwortliche in Württemberg haben sich hiernach nun auf die nächste Stufe im eigenen Krisenplan verständigt. Es ist die mittlerweile letzte, mit der die laufende Saison noch zu retten wäre.
Schon im Dezember hatte man sich von Verbandsseite (WFV) ja vom Standardmodus verabschiedet und die Rückrunde gestrichen. Nun wandert auch die favorisierte Ersatzversion, nach Abschluss der Hinserie die Starterfelder in eine Aufstiegs- und Abstiegsrunde zu unterteilen, notgedrungen in den Papierkorb. Die Erkenntnis ist: auch dafür würde inzwischen die Zeit nicht mehr reichen. Bleibt allein noch Plan C. Dieser lautet: in allen Ligen lediglich die seit Ende Oktober unterbrochene erste Rundenhälfte fertig spielen, dann noch Relegation, dann Schluss. Direktaufsteiger und Direktabsteiger würden anhand der eigentlichen Halbzeittabellen ermittelt.
Durch die damit verbundene nochmalige Reduzierung der Spieltagszahl ist fürs Erste Luft gewonnen. Freilich: auch in diesem Fall nicht unbegrenzt. Als Deadline steht der 9. Mai. Jener ist laut WFV das Datum, an dem der Punktspielbetrieb spätestens wieder beginnen muss, sonst wären alle Bemühungen endgültig umsonst gewesen. Lässt sich bis dahin kein Wiederanpfiff realisieren, folgte ein Abbruch samt Annullierung der Saison – das Szenario, das man an der Stuttgarter Goethestraße nach wie vor unbedingt vermeiden will. Ein sofortiges Aus in Erwägung zu ziehen, wie in einigen anderen Landesverbänden, widerspräche der Verantwortung gegenüber den Vereinen, eine sportliche Wertung der Meisterschaftsrunden zu ermöglichen. So heißt es in einer schriftlichen Erklärung.
Die zwischenzeitliche Idee, das Spieljahr um zwei Wochen bis Mitte Juli zu verlängern, ist gleichwohl kein Thema mehr. Das entscheidende Gegenargument: damit würden die Wechselperiode und die darauffolgende nächste Saison tangiert. Gelten sollen die Pläne für alle Spielklassen: Männer, Frauen sowie bei der Jugend im überbezirklichen Bereich. In den Nachwuchsstaffeln auf Bezirksebene obliegt es den jeweiligen Bezirken, individuelle Lösungen zu finden.
Absegnen muss die neuen Eckdaten nun noch der WFV-Beirat. Eine entsprechende Konferenz ist für den kommenden Freitag angesetzt. Zuvor, bis Mittwoch, haben alle betroffenen Vereine die Gelegenheit, sich zu äußern. Der Widerspruch dürfte sich in Grenzen halten. Was wären die Alternativen?
Michael Spörer, der Vorsitzende des Fußballbezirks Stuttgart, sieht es nüchtern: „Die Vereinsvertreter sind ja auch nicht blöd. Auch sie sehen die Situation.“ Spörer findet es gut, „dass nun ein Datum hinterlegt ist und ein jeder zumindest von daher Planungssicherheit hat“. Wie gesagt: der 9. Mai – wobei sich dieser aktuell noch vermeintlich eher fern liegende Alles-oder-nichts-Punkt durch einen Begleitumstand relativiert. Unangetastet bleibt das Vorhaben, den Mannschaften mindestens drei Wochen Vorbereitungszeit zu gewähren, ehe es wieder um Punkte geht. Drei Wochen, um zurück auf sportartspezifische Betriebstemperatur zu kommen. Tatsächlich braucht es grünes Licht von Merkel und Co. also bereits im April, spätestens kurz nach Ostern.
Ob das klappen kann? Ob der Sport bis dahin in der erwähnten Warteschlange den nötigen Boden gut gemacht haben wird? Noch lebt die Hoffnung, nicht zuletzt bei einigen Filderteams. Beispiel SV Bonlanden, aktueller Spitzenreiter der Landesliga. Beispiel TSV Musberg, aktuell Erster der Bezirksliga. Beispiel TSV Leinfelden und TSV Jahn Büsnau, aktuell auf Platz eins in der Kreisliga B. Im günstigsten Fall sind es für sie nun nur noch jeweils sechs, sieben Spiele bis zum Meistertitel und Aufstiegsjubel. Im schlechtesten stehen sie in rund zwei Monaten als die großen Verlierer da. Und das, ohne noch einmal gegen den Ball getreten zu haben. Die Gesichter wären wohl noch länger als am Mittwochabend während der neuesten Merkel’schen Ansagen.