Der Fußball-Landesligist TV Echterdingen hat seinen Kader erneut namhaft verstärkt und unterstreicht damit die gestiegenen eigenen Ambitionen. Nun muss sich zeigen, wie weit es in der Tabelle nach vorne gehen kann. Zumindest der Trainer hat eine klare Vorstellung.
Stuttgart. Man muss wissen, wann Schluss ist. Den Bogen wollte Giuseppe Iorfida nicht überspannen, und so hat der Trainer eine zuvor noch klare vereinsinterne eigene Forderung in den vergangenen Tagen still und leise eingestellt. Die Verpflichtung eines weiteren gestandenen Innenverteidigers? Die Suche nach einem am besten bereits höherklassig erprobten Außenbahnakteur? Inzwischen beides kein Thema mehr. „Wenn man gerade einen Ferrari erhalten hat, kann man ja nicht hingehen und sagen: Jetzt hätte ich gern auch noch einen Porsche Cayenne“, sagt Iorfida und lacht.
Der Ferrari heißt Ugur Yilmaz. Mit dem überraschenden Transfer des Routiniers hat der TV Echterdingen das ligaweit mit dickste Ausrufezeichen dieser Transferperiode gesetzt. Yilmaz, der Ex-Profi, der Toptorjäger, der zuletzt wohl beste Spieler der Staffel. Als die Gelb-Schwarzen von den sich zuspitzenden finanziellen Problemen ihres Nachbarn SV Bonlanden und daraus resultierenden Wechselgedanken des 34-Jährigen vernommen hatten, schlugen sie zu. „Hat man die Möglichkeit, so einen Mann zu kriegen, muss man das einfach machen“, sagt Iorfida. Auch dann, wenn das Budget dadurch letztendlich für anderes fehlt und es für eine Position ist, auf der ja eigentlich gar kein Handlungsbedarf mehr bestand. Im Angriff waren die Echterdinger auch so schon herausragend aufgestellt.
So hat der Filderclub nun allein in diesem Mannschaftbereich drei Kracher am Start, ob welcher bei der Konkurrenz wacklige Knie aufkommen könnten: Neben dem zudem als Co-Trainer fungierenden Yilmaz (31 Saisontore 2021/2022) bieten sich Caglar Celiktas (21 Saisontore) und Rui Tiago Caldas De Carvalho (früher zweite Liga in Portugal) an. Insgesamt passt die Personalie freilich ins Bild. Sie ist ein weiteres Indiz für die Ambitionen in den Goldäckern.
Seit Iorfidas Einstieg vor zwei Jahren ist ein wieder anderer Geist eingekehrt: weg von der zwischenzeitlich unfreiwilligen Rolle der Dauerabstiegskämpfer, zurück in den Angriffsmodus. Sicher, dies ist nicht allein des Trainers Verdienst. Als nicht unerheblicher Faktor kommt ein offensichtlich ausreichend dicker Geldbeutel hinzu. Doch schreitet Iorfida als treibende Kraft voran. Erfolgshunger, Gier, Siegermentalität – das sind seine bevorzugten Schlagworte. Wer ihn bei Spielen schon einmal an der Seitenlinie gesehen hat, der weiß: Er selbst lebt sie vor. Bezeichnend: aus der Vor-Iorfida-Zeit sind in David Hertel und Nico Plattenhardt mittlerweile lediglich noch zwei Spieler dabei. Der Rest: anhaltender Umbruch, alles neu.
Die Kunst wird sein, die unstrittig vorhandenen vielen PS auch entsprechend auf die Straße zu bringen, nicht nur jene des „Ferrari“. Außer Yilmaz gibt es sieben weitere aktuelle Zugänge, die erst einmal integriert sein wollen. Zumindest zwei von ihnen sind gleichfalls als Führungsfiguren eingeplant: Schon die Namen Michael Deutsche und Marc Tiryaki-Zeeb hatten aufhorchen lassen, ehe die Yilmaz-Nummer alles toppte. Der eine, der Spielgestalter Deutsche, ist ebenso einstiger Profikicker. Der andere, der Defensivallrounder Tiryaki-Zeeb, arbeitet nach einem Kreuzbandriss gerade an einer Rückkehr zur alten Form.
Zusammen mit dem zum neuen Kapitän beförderten Abwehrchef Marvin Kuhn sollen die Erwähnten eine erfahrene Achse bilden, flankiert von entwicklungsfähigen Youngsters. Von denen hat in der Vorbereitungsphase vor allem einer überzeugt: In dem vom Bezirksligisten Nellingen geholten Rechtsverteidiger Julian Miller sieht Iorfida das Potenzial „für eine richtige Rakete“.
Das Problem: eben jene Vorbereitung fiel und fällt heuer kürzer aus denn je. Seit gerade mal zweieinhalb Wochen befinden die Echterdinger sich erst wieder im Training. Trotz des frühen Saisonstarts erneut schon Anfang August hatte Iorfida nicht darauf verzichten wollen, den Seinen vier Wochen Pause zum Akku-Aufladen zu gewähren. „Ich hätte sonst die Gefahr gesehen, dass uns das irgendwann im Herbst um die Ohren fliegt“, sagt der Coach. Die Kehrseite allerdings ist, dass es so bis zum erhofften Leistungslevel nun wohl noch einige Zeit braucht. Zumal: zu dem eh noch fehlenden Stammkeeper Tim Becker (nach Knieoperation, Comeback frühestens im Oktober) werden sich auf der Ausfallliste in den nächsten Tagen zahlreiche Urlauber gesellen.
Insofern könnte es ein eher schwieriger Beginn werden. Nach der Startpartie beim Aufsteiger FC Blaubeuren (6. August, 15.30 Uhr) warten auf die Echterdinger in der Anfangsphase der Titelfavorit Oberensingen und der Verbandsliga-Absteiger Türkspor Neu-Ulm als weitere Gegner. An den eigenen Zielen soll das allerdings nichts ändern. Das offiziell vom Verein ausgegebene lautet vergleichsweise bescheiden: ein Platz in den Top fünf. Iorfida selbst sagt: „Wir wollen angreifen und bis zum Schluss mit vorne dabei sein. Alles andere wäre unglaubwürdig.“ Spätestens seit der Geschichte mit dem Ferrari.