Wer ist die Nummer eins im Echterdinger Fußball? Knapp zehn Jahre lang hat sich diese Frage zuletzt nicht wirklich gestellt. Allzu klar hat der TV Echterdingen das Geschehen bestimmt. Nun, in dieser Saison, könnte sich das Kräfteverhältnis erstmals wieder verschieben. Umso größer ist die Brisanz im Landesliga-Derby am heutigen Freitagabend, für das beim Gast Calcio Leinfelden-Echterdingen zumindest ein Spieler fehlt: Der Verein hat seinen Standardspezialisten Emrah Basol suspendiert. TV Echterdingen - Calcio Leinfelden-Echterdingen. Gedanken lassen sich bekanntlich nicht lesen. Und so kann nur gemutmaßt werden, ob es sich um seine tatsächliche Überzeugung handelte oder ob eine Portion spitzbübisches Kalkül mitmischte. In Sachen Meistertipp ist Aleksandar Kalic, der Trainer des TV Echterdingen, jedenfalls schon vor Saisonbeginn aus der Reihe getanzt. Erster wird in diesem Spieljahr, wenn man seiner Prognose glauben darf - jawohl, ausgerechnet der ungeliebte Ortsnachbar Calcio. Die Begründung lieferte Kalic seinerzeit auf Nachfrage gleich hinterher. Sie lautete: 'Wer so viel Geld wie die in die Hände nimmt, der muss auch die Favoritenbürde tragen.'
Zumindest damit war dann eine Spitze gesetzt, wenn auch die bis jetzt einzige ohne vorgehaltene Hand. Nun, vier Wochen später, vor dem direkten Duell, sind beide Seiten um leise Töne bemüht. Keine Sticheleien, kein Säbelrasseln. Die Antwort darauf, wer aktuell die Nummer eins in Echterdingen ist, soll nicht mit Worten gegeben werden, sondern auf dem Rasen. Dort erwartet Kalic 'einen sehr guten Gegner mit extrem guten Einzelspielern'. Zu klären wird sein, was sich durchsetzt: das Kollektiv der Gastgeber oder eben diese individuelle Qualität des letztjährigen Aufsteigers. Anders formuliert: welche Philosophie? Es ist der Vergleich von zwei gänzlich unterschiedlichen. Hüben der TV Echterdingen, der auf eine gewachsene Mannschaft setzt und bei dem Kontinuität als Leitlinie gilt. Drüben der Club Calcio, der vor dieser Saison groß auf Shoppingtour gegangen ist und sich mal eben einen zu weiten Teilen neuen Kader geleistet hat.
Erfolgssuche mit Geduld gegen Erfolgssuche mit der Brechstange. Für 'sehr verwunderlich' hält es Kalic einerseits, wenn er auf die Flut hochkarätiger Zugänge beim Kontrahenten blickt: 'Ich frage mich, wie die das machen.' Andererseits erkennt er darin 'eine Aufwertung der Liga, wenn solche Spieler in ihr im Einsatz sind'. Solche wie ein Denis Berger, Gökhan Gümüssu oder Shkemb Miftari, gegen die sein durch zuletzt zwei Siege gestärktes eigenes Team nun auf dem Prüfstand steht. Kalic weiß: 'Wir dürfen diese Leute nicht ins Rollen kommen lassen.' Umso ärgerlicher, dass ihm just bei dieser kniffligen Aufgabe einer seiner Wadlbeißer fehlt. Marcel Helber ist gelbrotgesperrt. Außer ihm fällt David Milojkovic (Oberschenkelverletzung) weiter aus. Marc Brodbeck ist angeschlagen.
Demgegenüber gilt beim 'Gast' in Sachen Personal: pssst! Der Trainer Cataldo Diletto will sich nicht in die Karten schauen lassen. Sicher ist, dass Emrah Basol wie schon vor Wochenfrist nicht dem Aufgebot angehört. Der zweitbeste Torschütze der vergangenen Saison brauche 'gerade ein bisschen Auszeit', sagt sein Coach - und blockt ansonsten ab. Aus einer Quelle des Umfelds ist Konkreteres zu hören: So soll es im Training einen heftigen Disput zwischen Diletto und Basol gegeben haben. Die Folge: der ob seiner vorangegangenen Nichtberücksichtigung für die Startelf angefressene 27-Jährige ist bis auf Weiteres suspendiert.
Dass demgegenüber noch einmal ein Neuer bereits im Anflug ist, dementiert Diletto derweil. Die Rede ist von Denis Grgic. Der seit Ende August vereinslose vorherige Torhüter des Oberligisten SSV Reutlingen war am Montag Trainingsgast - laut Diletto jedoch 'nur so, weil er ein paar Leute bei uns kennt'. Eine Verpflichtung sei kein Thema - was der gerade erst zur neuen Nummer eins beförderte Youngster Dominik Ferdek gern vernehmen wird.
Das heutige Derby? Diletto behauptet: 'Es ist ein Spiel wie jedes andere. Wir wollen gewinnen, klar. Aber um mehr geht es nicht.' Ein Schelm, der sich wünschte, auch in diesem Fall mal Gedanken lesen zu können. Bei einem Sieg oder Unentschieden, so viel steht fest, bliebe Calcio in der Tabelle vor seinem Gegner.