Ein Weltschiedsrichter gab den Anstoß

Drucken
Fußball Melissa Joos vom TV Echterdingen hat den Aufstieg geschafft: Die 23-Jährige leitet fortan Spiele in der zweiten Bundesliga der Frauen. Bei den Männern war sie zuletzt schon bis zur Landesliga im Einsatz. Susanne Degel

Melissa Joos hat den nächsten Schritt auf der Karriereleiter gemacht: Die Schiedsrichterin des TV Echterdingen pfeift in der kommenden Saison in der zweiten Frauen-Bundesliga. 'Ich war total sprachlos, als ich erfahren habe, dass ich den Aufstieg geschafft habe. Inzwischen ist die Freude natürlich riesengroß', sagt die 23-Jährige. Für das DFB-Auswahlturnier der U-18-Juniorinnen in Duisburg im Oktober vergangenen Jahres war sie vom Württembergischen Fußballverband als Unparteiische nominiert worden. 'Dort werden die Spielerinnen für die Nationalmannschaft rekrutiert - und die Schiedsrichter für die Bundesliga', sagt Melissa Joos, die ihre Chance genutzt hat. Klar war, dass wie jedes Jahr drei Kandidatinnen den Sprung in die zweite Liga schaffen würden. Sie ist eine davon.

Ihre Premiere als Referee des Bundes­liga-Pools wird Melissa Joos am 28. August mit ihren Assistentinnen Diana Ehmig aus Vaihingen und Schirin Groh aus Wernau im DFB-Pokalwettbewerb feiern. An jenen hat die Echterdingerin gute Erinnerungen. In der vergangenen Runde war sie im Viertelfinalspiel zwischen dem SC Freiburg und dem FSV Gütersloh an der Seiten­linie eingeteilt. Eine Partie, die sie so schnell nicht vergessen wird. Ihr Rückblick: 'Zur Pause führte Gütersloh mit 3:0, nach 90 Minuten stand es 3:3, und dann hat Freiburg in der Verlängerung noch mit 7:4 gewonnen. Es war einfach unglaublich.'

Dass Melissa Joos vor neun Jahren überhaupt Schiedsrichterin geworden ist, war Zufall. Auf der Fair-Play-Messe auf dem Killesberg sei sie an einem Stand des Verbands gefragt worden, ob sie nicht Lust hätte, zu pfeifen. Und nachdem kurz zuvor ihre Versuche, selbst einer Kickerkarriere zu starten, eher kläglich gescheitert waren, hat sie sich breit schlagen lassen. 'Ich habe dann sehr schnell gemerkt, dass die Pfeiferei total mein Ding ist', sagt die nur 1,59 Meter große und 51 Kilogramm leichte Schiedsrichterin. Dass die alternative Laufbahn sich so erfolgreich entwickeln würde, hätte sie freilich 'niemals gedacht'. Einer, der, wenn auch unwissentlich, großen Anteil an der geweckten Begeisterung hatte, war Markus Merk. Vom dreimaligen Weltschiedsrichter sei sie früher total begeistert gewesen, sagt die zierliche Frau. 'Er ist einfach ein ganz großer Sportsmann.'

Mittlerweile pfeift Melissa Joos, die von Beruf Elektro-Ingenieurin ist, 60 Spiele in der Saison - seit einem Jahr auch in der Männer-Landesliga. Ihre Gespannpartner dort sind ihr Vereinskollege Sandro Mendicino und Bastian Gaedike von den Stuttgarter Kickers. Akzeptanz-Probleme hatte sie noch keine. 'Wenn man sich hinstellt, konsequent und mit einer klaren Linie berechenbar ist, dann wird man auch bei den Männern als Spielleiterin akzeptiert', sagt die 23-Jährige. Bisher sei sie mit dieser Taktik gut gefahren. 'Ich war noch nie an dem Punkt, an dem ich alles hinschmeißen wollte', sagt Melissa Joos. Im Gegenteil: die Erlebnisse auf dem Fußballplatz - negative wie positive - nimmt sie als Geschenk mit. Alles bringe einen irgendwie weiter, ist sie überzeugt. Und bei Kritik von Zuschauern schalte sie einfach auf Durchzug oder schmunzelt auch schon mal in sich hinein. 'Manche kennen einfach das Regelwerk nicht', sagt sie.

Dass sie nun in der zweiten Bundesliga der Frauen angekommen ist, sieht die Echterdingerin als Belohnung für ihre harte Arbeit. Denn auch bei Schiedsrichtern erfordert der Erfolg viel Schweiß. Jeden Montag trainiert Melissa Joos mit den Kollegen von der Schiedsrichtergruppe Stuttgart in Bad Cannstatt, zusätzlich absolviert sie zweimal in der Woche Waldläufe im Siebenmühlental oder quält sich beim Intervalltraining mit einem Leichtathletik-Coach auf der Tartanbahn in Waldenbuch.

Ob sie irgendwann auch einmal im deutschen Oberhaus der Frauen pfeifen wird, also erstklassig? Das vermag Melissa Joos nicht zu sagen. 'Ich nehme mit, was möglich ist', sagt sie. Wer weiß: vielleicht kommt der nächste Karriereschritt ja erneut einmal völlig überraschend für sie.