Die einzige womöglich negative Nachwirkung ist, dass ihm die Schultern schmerzen. Verwundern würde es jedenfalls nicht, so oft wie sie Emre Göcer draufgeklopft haben. Der Abteilungschef Phillip Wunsch hat es nach dem Abpfiff getan, der Trainer Mario Estasi ebenfalls, und auch seine Mitspieler knufften und beglückwünschten den gerade einmal 20-Jährigen in ausgiebiger Manier. Ausgerechnet er, einer der Jüngsten, wurde für die Landesliga-Fußballer des TV Echterdingen am Samstag zum Matchwinner. Nicht nur, dass Göcer auf seinem eigentlichen Terrain in der Innenverteidigung einmal mehr eine gute Leistung bot. Obendrein erzielte er mit einem beherzten Schuss das 2:1-Siegtor im Auswärtsspiel beim SC Geislingen. Zwei Spiele, sechs Punkte – der Traumstart der Gelb-Schwarzen in die zweite Saisonphase ist damit perfekt.
Insgesamt hat Estasis Mannschaft als weiterhin Dritter nun 37 Zähler auf ihrem Konto. Das sind nach 19 Spieltagen exakt so viele wie in der verkorksten vergangenen Saison am Schluss. „Ein Wahnsinn“, findet der Coach – dies umso mehr, weil die Voraussetzungen wie schon in der Hinrunde auch aktuell nicht die besten schienen. Viele Verletzte, viele Verhinderte, eine zähe Vorbereitung. Doch sind es offenbar gerade solche kniffligen Situationen, die die Echterdinger in diesem Spieljahr zu besonderen Kraftakten und Ergebnissen beflügeln.
Die Rede ist bewusst von Ergebnissen, weniger von Erlebnissen. Von Schönheitspreisen, keine Frage, ist das Filderteam weiterhin so weit entfernt wie Darmstadt 98 vom Einzug in die Champions League. Unter ästhetischen Aspekten kredenzten die Gäste abermals eine schwere Kost – freilich auch bedingt durch den holprigen Naturrasen im Eybacher Tal. Aber mit mannschaftlicher Geschlossenheit, unermüdlichem Kampfgeist und taktischer Disziplin sind sie längst zu einem für jeden Gegner der Staffel höchst unbequemen Kontrahenten avanciert. „Wir wissen, dass wir sehr unangenehm zu spielen sind“, sagt Estasi. Das bekamen nun auch die zuletzt im Aufwärtstrend befindlichen Geislinger zu spüren.
„Echterdingen hat im gesamten Spiel zweieinhalb mal auf unser Tor geschossen. An mehr kann ich mich nicht erinnern“, grummelte Estasis Gegenüber Jasmin „Jasko“ Suvalic hinterher. Das jedoch sollte zur Entscheidung reichen, nachdem zunächst Uwe Grupp die Heimelf mit einem Flachschuss in Führung gebracht hatte (21.). Mit seiner offensiven Hauptwaffe dieser Saison, zwei Standardsituationen (32./66.), drehte der TV Echterdingen die überhaupt torchancenarme Partie. Aus Geislinger Sicht galt: Gefahr gekannt, Gefahr dennoch nicht gebannt. Explizit vor solchen Szenen hatte Suvalic die Seinen im Vorfeld gewarnt gehabt.
Erst profitierten Estasis Kicker von einer diesmal unglücklichen Aktion Grupps. Nach einem weiten Freistoß Göcers schoss Max Knoll den Ball an die ausgestreckte Hand des Geislinger Kapitäns. Den fälligen Elfmeter verwandelte Lukas Haselmaier zum 1:1 – zu diesem Zeitpunkt ein für die Gäste schmeichelhafter Ausgleich. Dann, im zweiten Durchgang, als die Echterdinger inzwischen ihrerseits Feldvorteile hatten, kam Göcers großer Auftritt. Ecke Nils Schaller, Dropkick Göcer von der Strafraumgrenze aus. Es war das erste Pflichtspieltor des Youngsters bei den Aktiven. „Für ihn freut es mich besonders. Das ist die Belohnung für eine Superrunde, die er spielt“, sagt Estasi über den 20-Jährigen, den er selbst erst im vergangenen Sommer zum Stammspieler befördert hatte.
Der Rest bestand aus konzentrierter Abwehrarbeit. Bezeichnend dabei, wie die Echterdinger den zweimal noch möglichen erneuten Gleichstand verhinderten. Einmal warf sich Haselmaier unerschrocken in die Schussbahn, einmal blockte der Winterpausen-Neuzugang Marijo Marinovic die Kugel mit letztem Einsatz ab. Kämpfen, kratzen, beißen – ein Sinnbild für die gelb-schwarze Attitüde dieser Tage. Und zugleich schon ein Signal in Richtung des folgenden nächsten Gegners? Der heißt am kommenden Sonntag in den Goldäckern Sportfreunde Dorfmerkingen und ist der Tabellenführer. Estasi, der einmal mehr auf seinen Dauer-Pechvogel Duje Tokic (nach auskuriertem Wadenbeinbruch nun dicker Knöchel) verzichten musste, sagt: „Die sind der klare Favorit. Aber vielleicht können wir sie trotzdem ein bisschen ärgern.“
Ja, warum eigentlich nicht? Etwaige schmerzende Schultern würde dafür sicher ein jeder seines Aufgebots in Kauf nehmen. Nicht nur Emre Göcer.
SC Geislingen: Pangerl – Nguyen (77. Riedel), Ruther, Schöll, Bäumel – D’Onofrio (70. Akcay), Grupp, Petricevic (77. Falzone), Sönmez – Orlando, Volk.
TV Echterdingen: Haug – Kühnle, Göcer, Haselmaier, Hertel – Widmayer (84. Garcia-Franco), Marinovic, Lechleitner, Di Leone (56. Knödler) – Schaller (87. Spiridopoulos), Knoll (78. Rizzo).